Gebäudeelemente in Serie fertigen, zur Baustelle transportieren, vor Ort zusammenfügen und innerhalb kürzester Zeit ein komplettes neues Bauwerk errichten: auf den ersten Blick erinnert das an die sogenannte Plattenbauweise, die besonders in der ehemaligen DDR sehr beliebt war. Mit dem seriellen Bauen erlebt das „Bauen von der Stange“ aktuell eine Renaissance.
So zum Beispiel in Mannheim: dort ist in den letzten Jahren das neue Stadtquartier Franklin entstanden. Einst befand sich hier eines der größten Wohnareale der US-Armee in Deutschland. Die Gesamtfläche umfasst rund 144 Hektar – das entspricht in etwa der Größe der Mannheimer Innenstadt. Auf dem ehemaligen Kasernengelände der Sullivan Barracks werden Wohnhäuser auf zwei unterschiedlichen Baufeldern errichtet. Kellergeschosse und Tiefgaragen werden in klassischer Betonbauweise von Implenia hergestellt.
Die Wohnhäuser dagegen werden in einer Holz-Hybrid-Fertigteilbauweise realisiert: Die einzelnen Komponenten werden in Fertigteilwerken produziert, zur Baustelle befördert und dort nach dem Baukastenprinzip zusammengesetzt. Die Bauzeit pro Geschoss beträgt dabei nur vier Tage. Eine Wohneinheit kann innerhalb eines einzigen Tages im Rohbau fertiggestellt werden. In nur neun Monaten werden so 190 Wohnungen errichtet. Die Hochbauarbeiten starteten im Juli 2023 und werden voraussichtlich bereits im Februar dieses Jahres abgeschlossen sein.
Herr Schulze, welche baulogistischen Herausforderungen erleben Sie auf Projekten wie Sullivan, auf denen seriell gebaut wird?
Anspruchsvoll beim seriellen Bauen sind für uns sicherlich die extrem kurzen Bauzeiten. Eine kleine Verzögerung kann – noch stärker als bei herkömmlichen Bauprojekten – den gesamten Bauablauf negativ beeinflussen. Daher muss die Anlieferung der Bauelemente genaustens geplant werden. Sämtliche Teile müssen rechtzeitig und in der korrekten Reihenfolge auf der Baustelle ankommen. Gleichzeitig muss die Baustelle zum Zeitpunkt der Lieferung bereit sein, damit die Elemente zeitnah entladen und verbaut werden können. Eine präzise und verlässliche Terminplanung ist also essenziell.
Da das komplette Geschehen auf solchen Baustellen durch den zügigen Baufortschritt sehr dynamisch ist, kann man dort nur bedingt mit dem herkömmlichen Flächenmanagement arbeiten. Zudem sind die Elemente beim seriellen Bauen oft sehr groß; man benötigt daher mehr Raum für die Lagerung und Montage als auf herkömmlichen Baustellen. Gerade in innenstädtischen Lagen, wo der Platz ja meist ohnehin begrenzt ist, kann das schwierig sein und es bedarf einer hohen baulogistischen Expertise.
Wieso ist es bei solchen Bauvorhaben besonders wichtig, ein Baulogistikunternehmen einzubinden?
Die Baulogistik hat eine Querschnittsfunktion – wir haben also die Bedürfnisse aller Projektbeteiligten im Blick. Unser Ziel ist es, die Abläufe auf der Baustelle zu verbessern. Konkret bedeutet das, den Anteil „unproduktiver Zeiten“ wie Transportzeiten zu minimieren sowie Lager- und Wegezeiten zu optimieren. So steigern wir die Produktivität und der Fokus liegt auf den Bauausführungszeiten. Das Baulogistikuntrnehmen stellt eine nahtlose Koordination und Kommunikation zwischen Lieferung, Lagerung und Bauausführung sicher und zwar zu jeder Zeit. Auf der Baustelle kann es immer Änderungen oder unerwartete Ereignisse geben. Hier müssen wir flexibel reagieren und eine Lösung parat haben. Die BCL hat auf Basis bereits realisierter Projekte eine umfangreiche empirische Datenbank aufgebaut. Damit ermitteln wir schon vor Projektstart, wie ein Bauvorhaben in punkto Personal, Fahrzeugbewegungen und Baustelleninfrastruktur aufgestellt sein muss, damit die Leistungsvorgaben innerhalb des Termin- und Kostenplans erreicht werden.
Ebenso sind wir aufgrund unserer langjährigen Erfahrung natürlich in der Lage, ein Projekt von vornherein optimal aufzustellen. Wir ermitteln die Abhängigkeiten von Personal- und Materialbewegungen und den richtigen Flächen- sowie Baustelleninfrastrukturbedarf. Damit können wir zum Beispiel die erforderliche Anzahl an Entladezonen berechnen und diese optimal positionieren. Die Lagerflächen organisieren wir so, dass sie die Arbeitsprozesse unterstützen und nicht – wie es auf Baustellen ohne koordinierte Baulogistik häufig der Fall ist – behindern. Generell gilt: unsere Einflussmöglichkeiten bei einem Projekt sind umso größer, je eher die baulogistischen Faktoren berücksichtigt werden. Ich empfehle daher immer, die Baulogistik so früh wie möglich einzubeziehen – gerade, wenn es ums serielle Bauen geht.
Wie ist Ihre Einschätzung, ist serielles Bauen die Zukunft des Bauens?
Bei dem aktuell hohen Bedarf an Wohnraum kann serielles Bauen ein guter Lösungsansatz sein, um schnell und günstig, aber dennoch hochwertig zu bauen. Durch diese Bauweise lassen sich große Mengen in kurzer Zeit herstellen, was die Kosten reduziert. Auch in punkto Nachhaltigkeit bietet serielles Bauen Vorteile. Standardisierte Prozesse bedeuten weniger Materialverschwendung. Gerade Holz als nachwachsender Rohstoff wird künftig noch stärker an Bedeutung gewinnen. 2022 basierten bereits über 20 % der genehmigten Wohngebäude in Deutschland auf der Holzbauweise* und dieser Anteil ist in letzten zehn Jahren stetig gewachsen.
Auch die Politik sieht serielles Bauen als ein Schlüsselinstrument, um den Wohnungsbau anzukurbeln. Das ambitionierte Ziel der Bundesregierung, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, scheiterte an der Umsetzung. Neben Faktoren wie der Inflation, gestiegenen Baukosten und Lieferengpässen spielen hier auch die hohen bürokratischen Hürden eine Rolle. Wir haben sechzehn Bundesländer mit derzeit sechzehn unterschiedlichen Bauverordnungen. Bund und Länder haben Ende 2023 einen Beschleunigungspakt vereinbart. Eine der geplanten Änderungen sieht vor, dass in einem Bundesland erteilte Typengenehmigungen bundesweit Gültigkeit erhalten. Dies würde das serielle Bauen sicher deutlich vorantreiben.
Serielles Bauen wird also wohl künftig eine bedeutende Rolle einnehmen, besonders in schnell wachsenden urbanen Gebieten wie Mannheim-Franklin. Herkömmliche Bauweisen werden aber weiterhin existieren, da serielles Bauen nicht in allen Fällen geeignet ist. Eine clevere Baulogistik ist das unsichtbare, aber unverzichtbare Zahnrad, das die schnellen, kostengünstigen und effizienten Prozesse des seriellen Bauens erst richtig rund laufen lässt. Oder anders gesagt: um sein volles Potenzial zu entfalten, braucht serielles Bauen eine effiziente Baulogistik.
Sie möchten mehr über unsere Leistungen erfahren und wie wir Sie bei Ihrem Bauvorhaben unterstützen können? Sprechen Sie uns an. Wir freuen uns darauf, von Ihnen zu hören.
Bildmaterial: Bauvorhaben Sullivan in Mannheim-Franklin, Visual: © NOKERA AG
*Statista.com: Holzbau - Quote der genehmigten Wohngebäude in Deutschland bis 2022